Sonntag, 9. September 2007

Der nackte Affe

Einige Dinge müssen klargestellt werden, bevor es los geht. Ich habe in letzter Zeit viele E-Mails und Kommentare erhalten, in denen man sich um meine finanzielle Situation sorgt. Mir tut es leid, irgendjemandem Sorgen bereitet zu haben. Aber meine finanzielle Situation ist momentan wirklich in Ordnung. Ich versuche, Zeug loszuwerden, weil ich viel zu viel habe*, nicht weil ich das Geld brauche. Ich habe immer noch einen Job. Zumindest im Moment. Und wenn das zu Ende gehen sollte, werde ich einen anderen Job finden.

Während meinem Zazen habe ich letzter Zeit beobachtet, dass mein Gehirn, basierend auf trivialsten Reizen, erstaunliche Szenarien erfindet. Irgendeine Idee wird von Gott weiß wo in meiner Birne auftauchen, woraus plötzlich komplette Welten aus geistigem Zeug entstehen. Sozusagen wie der Urknall. Ich habe mich sogar selbst dabei beobachtet, wie ich anfing, vollkommen imaginäre Gespräche über vollkommen imaginäre Dinge zu führen. Das passiert auf einem unbewussten Level, so dass ich noch nicht mal die Beschaffenheit und das Thema dieser Gespräche und was weiß ich kommentieren kann, weil sie keines zu haben scheinen. Erst nachdem sie sich gebildet haben, kann ich sie etwas Bestimmtem zuordnen. Es ist nur eine Art von gewohnter Reaktion, auf einer sehr tiefen Ebene. Also eigentlich sollte ich nicht überrascht sein, wenn Leute gewaltige fantastische Vorstellungen, aufgrund ein paar zufälliger Sätze in einem Blog, erfinden. Doch so dankbar ich euch für eure Besorgnis bin, es gibt wirklich keinen Grund dafür.

Mein neues Lieblingsbuch ist Der nackte Affe von Desmond Morris. Ich fand es an einem Bücherstand im Freien in Greenwich Village. Ich wusste von dem Buch aufgrund seines Rufes; es gilt als einer der Klassiker, die richtig gut sein sollen. Aber das war alles, was ich wusste.

Ich habe es gerade vor etwa einer halben Stunde beendet und ich denke, dass es unglaublich ist. Es wäre wesentlich besser, wenn an Buddhismus interessierte Leute, Bücher wie Der nackte Affe lesen würden, anstatt der fragwürdigen, verwirrend philosophischen Bücher in der „Spiritualitäts“-Abteilung deines örtlichen McBuchschuppens.

Der Autor, Desmond Morris, ist ein britischer Zoologe, der seine sein zoologisches Augenmerk auf den Menschen richtete. Das Buch betrachtet den Menschen als ein Tier, eine intelligente und fleischfressende Unterart fast unbehaarter Primaten. Seine Schlussfolgerungen scheinen größtenteils fast restlos gültig zu sein. Er bringt viele der Dinge, auf ich während meiner eigenen Übung gestoßen bin, sehr deutlich auf den Punkt. Sehr viele Leute fühlten sich unwohl, als das Buch 1967 zuerst herauskam – und es ist ziemlich deutlich, warum. Anstatt die Menschen als erhabene, hochgeistige Wesen mit hässlichen Körpern darzustellen, zeigt er uns, wie wir wirklich sind – eine sehr erfolgreiche Art der Affen.

Natürlich sind Menschen nach buddhistischer Sicht nicht nur Tiere. Aber das bedeutet nicht, dass wir überhaupt keine Tiere sind. Wir sind nur ziemlich verschieden von den anderen Tieren. Aber auch Elefanten sind anders als alle anderen Tiere, und ebenso Meeresnacktschnecken und Skorpione und alle anderen Lebewesen. Wie alle anderen Kreaturen haben wir sowohl eine materielle als auch eine immaterielle Seite. Aber, wieder vom buddhistischen Standpunkt aus gesehen, sind diese beiden Seiten tatsächlich ein und dasselbe. Die Tatsache, dass wir sehr erfolgreiche Primaten mit größeren Pimmeln und Titten als andere unserer Art-Verwandten sind, ist Teil unserer spirituellen Natur.
Zieh‘ dir das mal rein!

Morris’ Kapitel über das Kämpfen ist von besonderer Bedeutung. Praktisch alles, was ich in meinem letzten Artikel für Suicide Girls erwähnte, ergibt sich aus dem gleichen Standpunkt, den er dort vertritt**. Er erläutert sogar die Funktion des sympathischen und parasympathischen Nervensystems auf ziemlich genau dieselbe Weise, wie Gudo Nishijima davon redet. Nishijimas Meinung ist, dass das Üben von Zazen hilft, diese beiden gegensätzlichen Teile unseres autonomen Nervensystems auszubalancieren; und dass das „Wegfallen von Körper und Geist“, wovon Dogen redet, tatsächlich das Ausgleichen unseres autonomen Nervensystems ist.
Natürlich erwähnt Morris Zazen nicht. Ich glaube nicht einmal, dass er irgendwas darüber weiß.

Das Kapitel über Körperpflege ist ziemlich interessant. Morris vergleicht die Entwicklung der Krankenpflege bei den Menschen mit dem Putzinstinkt anderer Primaten. Er sagt, dass die meisten unserer Krankheiten nicht aufgrund von echten Verletzungen oder Keimen entstehen, sondern aus dem tiefsitzenden Bedürfnis von unseren nackten Artgenossen gepflegt zu werden. Ich habe dies selbst oft gedacht, war aber nie wirklich in der Lage, es so gut zu beschreiben, wie Morris es schafft. Dies heißt nicht, dass es keine wirklichen physischen Krankheiten gibt. Die gibt es. Aber wir täten gut daran, sorgfältig deren Ursprung zu untersuchen.
Wie auch immer, es ist ein gutes Buch.
Also los, hol’s dir.

Schaut euch den Eintrag weiter unten an, wo ich nächste Woche sein werde, und denkt daran, dass eure Anwesenheit erforderlich ist. Ernsthaft. Bitte glaubt nicht, dass abertausende Menschen zu diesen Veranstaltungen kommen, unabhängig davon, ob ihr auftaucht oder nicht, und dies als Entschuldigung benutzt, um nicht zu kommen. So viele kommen nicht. Wenn ihr mögt, was ich tue, dann unterstützt es bitte. OK?

*Obwohl ich scheinbar weit weniger Kram als die meisten Leute in meinem Alter, die ich kenne, habe. Ich denke, dass es wegen der Art des Krams ist, dass es wie mehr wirkt. Mein Freund Bob, der auch Tonnen an Monsterspielzeug und Sachen hat, sagt über sich selbst „Meine Wohnung sieht aus, als ob ein 13-Jähriger im Lotto gewonnen hätte.“ – meine Wohnung sieht ziemlich genau so aus.

**Obwohl ich diesen Text geschrieben hatte, lange bevor ich das Buch bekam. Und wie kommt es, dass so wenige von den Leuten, die Kommentare posteten, bemerkten, dass ich sagte, es sei äußerst bedauerlich, dass wir immer noch gewaltige Armeen brauchen, um unsere Freiheit zu schützen? Diese Tatsache muss sich ändern, wenn wir als Art überleben wollen. Aber es wird sich nicht ändern, wenn wir uns das nicht eingestehen. Ich nehme sowieso an, dass Pazifisten gerne sauer werden und gegen diejenigen kämpfen, die mit ihnen nicht einer Meinung sind…

*** Ist schon ironisch, oder?